Therapieoptionen zur Prävention von Exazerbationen bei COPD

5. Stellenwert von ICS bei der Exazerbationsprävention

Glukokortikoide sind eine wirksame, entzündungshemmende Therapieoption für viele chronisch-entzündliche Krankheiten und werden seit Jahrzehnten verwendet. Die Rolle von ICS in der Behandlung der COPD wird jedoch aktuell zunehmend kritisch diskutiert. So treten neben lokalen Nebenwirkungen wie oropharyngealer Candidiasis oder Dysphonie [Yang et al. 2012] auch unerwünschte systemische Begleiterscheinungen wie Osteoporose, Pneumonien, Hyperglykämien bei Diabetikern oder Katarakte auf [Matera et al. 2015]. Die Effekte von ICS zur Exazerbationsprophylaxe im Vergleich zu den Effekten einer LAMA- oder LAMA/LABA-Therapie sind jedoch sehr begrenzt. Auch vor dem Hintergrund des Nebenwirkungsrisikos wird ihr Gebrauch daher aktuell nur bei Patienten mit weiterhin auftretenden Exazerbationen trotz LAMA-Basistherapie in Kombination mit einem LABA als Alternative der zweiten Wahl zu einer LAMA/LABA-Therapie oder als Triple-Therapie zur Eskalation einer LAMA/LABA-Therapie empfohlen [Boardman et al. 2014, GOLD 2017]. Hiervon unabhängig kann eine Indikation zur Therapie mit ICS bei COPD-Patienten mit einem gleichzeitig bestehenden Asthma bronchiale bestehen.

5.1. ICS-Monotherapie

Diverse Studien und Meta-Analysen lieferten hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit und Sicherheit einer Langzeit-Monotherapie mit ICS kein günstiges Bild. In der ISOLDE-Studie sank zwar unter einer Fluticason-Therapie die Exazerbationsrate nach drei Studienjahren von 1,32 auf 0,99 Exazerbationen pro Jahr (p=0,026) und es verbesserte sich die Lebensqualität gegenüber Placebo [Burge et al. 2000], doch seinerzeit waren die Patienten nicht mit einer konsequenten langwirksamen Bronchodilatator-Therapie versorgt, sodass die Ergebnisse in der heutigen Versorgungsrealität kaum relevant sind. Eine Meta-Analyse konnte diese Ergebnisse in Bezug auf die Exazerbationsrate bei Patienten mit schwerer bis sehr schwerer COPD bestätigen, zeigte jedoch keinen Behandlungsvorteil für Patienten mit leichter COPD [Gartlehner et al. 2006]. Auch ist die Wirkung von ICS einer LABA-Monotherapie hinsichtlich der Lungenfunktion nicht überlegen [Spencer et al. 2011]. In der TORCH-Studie zeigte der Studienarm mit einer ICS-Monotherapie die höchste Rate an Gesamt-Todesfällen und an COPD-assoziierten Todesfällen [Calverley et al. 2007]. Eine ICS-Monotherapie wird in den aktuellen Leitlinien für die COPD-Therapie nicht empfohlen.

5.2. LABA/ICS-Fixkombinationen

Die Frage nach der Überlegenheit von LABA/ICS-Kombinationen gegenüber einer LABA-Monotherapie bei der Prävention von Exazerbationen ist nicht abschließend geklärt [Nannini et al. 2013], jedoch konnten diverse Studien eine signifikante Reduktion der Symptomlast und eine Verbesserung der Lungenfunktion und Lebensqualität gegenüber den Einzelkomponenten und Placebo nachweisen [Mahler et al. 2002, Szafranski et al. 2003]. Im Rahmen der TRISTAN-Studie wurde an fast 1.500 Patienten eine Verbesserung der Lungenfunktion, Symptomatik und Lebensqualität unter Salmeterol/Fluticason gegenüber einer Therapie mit den Monokomponenten aufgezeigt. Auch die jährliche Rate von Exazerbationen, die einen Einsatz von OCS erforderten, reduzierte sich in der Kombinationsgruppe um 39 % (p<0,0001; vs. 29 % Salmeterol vs. 34 % Fluticason) [Calverley et al. 2003]. Ein ähnliches Bild ergab auch die TORCH-Studie, in der die jährliche Exazerbationsrate um 25 % unter LABA/ICS verglichen mit einer Placebo-Therapie reduziert wurde, jedoch zeigten die jeweiligen Monotherapien eine ähnliche Wirksamkeit. Die Mortalität blieb hingegen durch die almeterol/Fluticason-Behandlung unbeeinflusst [Calverley et al. 2007]. In der SUMMIT-Studie wurde die Kombination Vilanterol/Fluticason im Vergleich zu den Einzelsubstanzen und Placebo untersucht. Im Vergleich zu Placebo reduzierte sich die Rate von moderaten bis schweren Exazerbationen unter LABA/ICS und den Monokomponenten, doch konnten die Unterschiede nicht statistisch untermauert werden. Hinsichtlich der Mortalität wurde keine signifikante Reduktion erzielt [Vestbo et al. 2016]. Eine groß angelegte Meta-Analyse weist darauf hin, dass die LABA/ICS-Kombinationen gegenüber den Einzelkomponenten trotz gewisser Unterschiede zwischen den Substanzen vor allem die Exazerbationsrate bei Patienten mit häufigen Exazerbationen senken können. Hinsichtlich einer Reduktion der Mortalität findet auch diese Analyse keinen eindeutigen Beleg [Tricco et al. 2015].

5.3. Triple-Therapie

Eine Eskalation auf eine Dreifach-Therapie mit LAMA/LABA/ICS kann bei persistierenden Exazerbationen unter einer LAMA/LABA-Therapie erwogen werden [GOLD 2017]. Ein sicherer Benefit durch die Hinzunahme eines ICS zu einer LAMA/LABA-Therapie konnte bislang nicht gezeigt werden [Aaron et al. 2007]. Bisher wurde in drei Studien der Nutzen einer fixen Triple-Therapie im Vergleich zur Monotherapie und im Vergleich zu einer Therapie mit LABA/ICS untersucht. Das primäre Ziel der TRINITY-Studie war es, die Überlegenheit der Dreifach-Kombination Glycopyrronium/Formoterol/Beclometason gegenüber einer LAMA-Monotherapie mit Tiotropium hinsichtlich der Exazerbationsprävention zu beweisen. So konnte die Rate an moderaten bis schweren Exazerbationen im Vergleich zur Monotherapie um 20 % (p=0003) reduziert werden [Vestbo et al. 2017]. Die TRILOGY-Studie prüfte den gleichen Studienendpunkt wie die TRINITY-Studie, verglich aber gegen die LABA/ICS-Kombination Beclometason/Formoterol. Hier konnte ebenfalls die Überlegenheit der Dreifach-Kombination mit einer 23 % höheren Reduktion der Exazerbationsrate nachgewiesen werden (p=0,005) [Singh et al. 2016]. Die Wirksamkeit der Kombination Umeclidinium/Vilanterol/Fluticason im Vergleich zu LABA/ICS wurde im Rahmen der FULFIL-Studie untersucht. Neben einer signifikanten Verbesserung der Lungenfunktion verringerte sich die Häufigkeit von Exazerbationen um 35 % (p=0,002) [Lipson et al. 2017]. Diese Studien bestätigten die Überlegenheit der Dreifach-Kombination LAMA/LABA/ICS gegenüber LABA/ICS bzw. einer LAMA-Monotherapie. Zusätzliche Vorteile einer LAMA/LABA/ICS-Triple-Therapie gegenüber einer dualen LAMA/LABA-Therapie sind bislang nicht belegt.

5.4. Absetzen einer ICS-Therapie ohne erhöhtes Exazerbationsrisiko

Ein unreflektierter Einsatz von ICS setzt Patienten einem unnötigen Risiko für Nebenwirkungen aus, wobei vor allem das Risiko für Pneumonien erhöht ist. Daher sollte immer die Indikation zur Fortsetzung einer ICS-Therapie überprüft werden. Auch bei einer bereits bestehenden Therapie mit ICS ist ein Absetzen von ICS bei einer COPD problemlos möglich, wenn die Pateinten mit einer ausreichenden bronchodilatatorischen Therapie versorgt sind. Im Alltag hat es sich dabei bewährt, die Therapie schrittweise zu reduzieren [van der Valk et al. 2002, Wouters et al. 2005]. Im Rahmen der einjährigen WISDOM-Studie konnte zum Beispiel belegt werden, dass ein Absetzen von Hochdosis-Fluticason in drei Stufen innerhalb von drei Monaten auch bei Risiko-Patienten mit schwerer bis sehr schwerer COPD das Exazerbationsrisiko nicht erhöht, wenn eine LAMA/LABA-Basistherapie erfolgt. Allerdings verschlechterte sich in der folgenden Beobachtungsphase (neun Monate), in der die Patienten nur noch Tiotropium und Salmeterol erhielten, die FEV1 gegenüber der ICS-Gruppe signifikant um ca. 40 ml. Die klinische Relevanz dieser Beobachtung ist jedoch fraglich [Magnussen et al. 2014]. Ebenso ist unklar, ob dieser geringe Effekt auf die Lungenfunktion auch bei LAMA/LABA-Kombinationen mit einem moderneren LABA auftritt. Auch die Subgruppen-Analyse des DACCORD-Registers bestätigt eine unproblematische Therapieumstellung: Bei Patienten mit gleicher Symptomlast und Exazerbationshistorie konnte nach dem Absetzen von ICS unter Weiterführung der bronchodilatatorischen Therapie ein geringeres Auftreten von Exazerbationen (25,8 % vs. 29,3 % mit ICS) im Vergleich zum ICS-Kontrollarm verzeichnet werden [Vogelmeier et al. 2017].